Neue Erkenntnisse zu Knochenveränderungen unter Abwesenheit von Gravitationskräften im Weltall

Bone Loss Recovery in Mice Following Microgravity with Concurrent Bone-Compartment-Specific Osteocyte Characteristics

Die Ergebnisse der Studie von Simon von Kroge und Dr. Eva M. Wölfel, veröffentlicht in European Cells and Materials, einem interdisziplinär aufgestellten Journal im Bereich der Muskuloskelettalen Forschung, ermöglichen eine neue Perspektive auf die veränderten Eigenschaften der Osteozyten und deren Einfluss auf die Anpassungsfähigkeit der Knochenmatrix unter Abwesenheit von mechanischer Belastung, welche in die Forschung von neuen Präventions- und Therapiestrategien sowie in der Entwicklung von anwendungsnahen Biomaterialien einfließen.

Knochen besitzt die Eigenschaft, sich kontinuierlich an äußere und innere Faktoren anzupassen, welche durch mechanische Belastungen induziert werden. Durch die erhöhte Aktivität von aufbauenden Knochenzellen wird ein stark mechanisch belasteter Knochen – beispielweise eines Sportlers – vermehrt aufgebaut, wohingegen im Weltall, unter Abwesenheit der Gravitationskraft, Knochen-abbauende Zellen die Knochenmasse reduzieren. Die auf- und abbauenden Prozesse sind miteinander verbunden und werden durch die in der Knochenmatrix sitzenden, stark vernetzten Osteozyten organisiert. Durch das mechanosensitive Netzwerk, bestehend aus Osteozyten, die in Lakunen sitzen und sich mittels Dendriten verbinden, können mechanische Kräfte empfangen und in biochemische Signale umgewandelt werden. Durch die komplexe Lage der Osteozyten in der hoch mineralisierten Knochenmatrix bedarf es spezieller hoch-auflösender Methoden, wie eine adaptierte Silbernitratfärbung oder die drei-dimensionale im Mikrometer-Bereich auflösende Computertomographie, um die Osteozyten und ihre Dendriten zu quantifizieren. Anhand dieser Techniken konnte gezeigt werden, dass im trabekulären Knochen, welcher eine schwamm-ähnliche Struktur aufweist, der Knochenverlust nach Rückkehr auf der Erde wieder ausgeglichen werden konnte. Dies ging einher mit einer unveränderten Osteozyten Morphologie und Vitalität. Im Gegensatz dazu zeigte der kortikale kompakte Knochen einen Knochenverlust auf, welcher im identischen Zeitraum nicht ausgeglichen werden konnte. Dies wurde mit einer erhöhten Anzahl an leeren Osteozytenlakunen, die auf nicht mehr aktive Osteozyten hindeuten und eine geringere Anzahl an Dendriten in Verbindung gebracht. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der Wiederaufbau des trabekulären Knochens durch unveränderte, funktionsfähige Osteozyten bedingt wird, wohingegen Osteozyten im kortikalen Knochen leichte Veränderungen aufweisen und in der gleichen Zeit der kortikale Knochen nicht vollständig regeneriert werden konnte.

Die Untersuchungen von verschiedenen zellulären Strukturmerkmalen in Biomaterialen liefern Aufschluss auf deren Einfluss auf das biomechanische Verhalten und werden von der Forschungsgruppe Bioengineering/Medizintechnik am Institut für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf untersucht. Die biologisch- und materialwissenschaftlich-inspirierten Analysen ergänzen medizinisch-biologische Studien und repräsentieren somit die Forschungsaktivitäten des ICCIR (Interdisciplinary Competence Cenetr for Interface Reseach). Dadurch leisten sie einen neuen Wissensbeitrag zu verschiedenen relevanten medizinischen Fragestellungen und zeigen Perspektiven für neue Ansätze zu Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten auf.

Im Fokus des ICCIR steht die Erforschung der Eigenschaften und Wechselwirkungen zwischen Materialien und Geweben an Grenzflächen, um mittels medizintechnischen Verfahren klinisch-relevante Fragestellungen zu lösen. Hierbei soll die Interaktion ingenieurwissenschaftlicher, biologischer und medizinischer Forschung befruchtet und gefördert werden. Das ICCIR ist ein zentraler Forschungsansatz im Rahmen des Forschungszentrums Medizintechnik Hamburg (FMTHH). Im FMTHH forschen Ingenieur:innen der TUHH und Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Kompetenzbereichen des UKE gemeinsam an neuen Technologien und Therapien. Klinikern werden durch die interdisziplinäre medizintechnische Forschung neue Diagnostik- und Therapieoptionen durch technologische Anwendungen ermöglicht.

Link zur englischsprachigen Publikation hier